Collaborative Climate Action – Eine Voraussetzung für ambitionierte Klimapolitik (Online Appendix)

Der Bericht “Collaborative Climate Action – eine Voraussetzung für ambitionierte Klimapolitik”, veröffentlicht durch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit im Dezember 2020, befasst sich mit  Theorie und Praxis von Mehrebenen-Klimapolitik, hier bezeichnet als Collaborative Climate Action (CCA).

CCA ist die politisch gewollte und gut organisierte Zusammenarbeit von Regierungsebenen zur Erreichung – idealerweise gemeinsam – definierter Klima-Zielen. Nur mit und durch CCA ist ein effektiver und in seiner Ambition deutlich gesteigerter Klimaschutz möglich.

Als Erweiterung des Berichts finden sich auf dieser Seite weiterführende Informationen zu im Text angesprochenen Themen, die in voller Ausführlichkeit nicht dargestellt werden konnten. Die PDF-Version des Berichts enthält anklickbare Links, die auf untenstehende Informationen verweisen.

Ermutigt und gestärkt durch die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro (Juni 1992) und die Gründung von ICLEI-Local Governments for Sustainability (September 1990), haben Kommunen und Regionen (die subnationale Ebene) seit den frühen 90er Jahren ihr Engagement auf internationaler Ebene deutlich erhöht. Gab es vorher primär bilaterale Städtekontakte über Landesgrenzen hinweg, schließen sich seither Städte und Regionen zunehmend weltweit zu Nachhaltigkeitsthemen und in Begleitung von UN-Prozessen zusammen und erheben ihre Stimme gemeinsam.

Mitwirkung in UN-Prozessen: In Umsetzung der UNCED-Beschlüsse hat die in der UN zuständige Abteilung für ökonomische und soziale Angelegenheiten (UN Department of Economic and Social Affairs) neun sogenannte „Hauptgruppen“ (Major Groups) definiert, eine davon für Kommunen. Damit begann in der UN eine Kultur der größeren Offenheit und Transparenz. In neuen Dialogprozessen bekam die Expertise von Interessensgruppen eine wachsende Bedeutung. Damit wurden auch lokale (und später regionale) Regierungen anerkannte Akteure in UN-Prozessen.

Über die Jahre hat sich die Forderung von Kommunalvertreter*innen verstärkt und phasenweise annähernd realisiert, nicht (nur) als Interessensvertretern neben Bauern, die Jugend oder der Wirtschaft gesehen, sondern als Teil des Regierungssystems wahrgenommen und benannt zu werden. Wurden sie zeitweise „Cities and local authorities“ genannt, wird heute zunehmend der Begriff „subnational governments“ benutzt, auch als Referenz zum Erstarken der regionalen Ebene in der Nachhaltigkeitsdebatte.

Lokale Agenda 21 (1992): In den ersten 10 Jahren nach der Rio-Konferenz standen lokale Prozesse zur Findung von Nachhaltigkeitszielen und -Aktionsplänen im Mittelpunkt. Diese in weit über 10.000 Städten und Gemeinden stattfindende Debatten war der wesentliche kommunale Beitrag zur „Agenda 21“ der Staatengemeinschaft. Die Einbeziehung von Bürger*innen und Interessensgruppen in die Erarbeitung von vor-Ort-Strategien zur ökologischen, ökonomischen und sozialen Entwicklung wirkt bis heute als Grundprinzip jeglicher Nachhaltigkeitsstrategie.

UN- Klimarahmenkonvention (UNFCC, 1992): Seit seinem Beginn in 1995 wirken Kommunen und Regionen aktiv mit, siehe „Klimadiplomatie der Städte“ unten.

UN- Biodiversitätskonvention (CBD, 1993): Auch zur Erhaltung der biologischen Diversität startete ein weltweiter Prozess durch die in Rio 1992 verabschiedete UN-Biodiversitätskonvention. Obwohl die organisierte Mitwirkung von Städten erst 2008 mit dem ersten Bürgermeister-Gipfel zur Biodiversität sichtbar wurde, konnte in den Beschlüssen der CBD früher und deutlicher die Notwendigkeit der kommunalen Mitwirkung verankert werden. Eine durch das Sekretariat der Konvention für biologische Diversität unterstützte „Globale Partnerschaft zu Städten und Biodiversität” hatte durch jahrelange Zusammenarbeit besonders ambitionierter Städte, Regionen und Staaten (also durch ein Zusammenwirken verschiedener Regierungsebenen) den Grund dafür bereitet. Schon 2008 wurde bei einer Vertragsstaatenkonferenz (COP9 in Bonn) eine Ermunterung an die Staatengemeinschaft beschlossen, in ihren nationalen Plänen zur Biodiversität (NBSAPs) auch das Mitwirken sub-nationaler Akteure aufzunehmen (CBD).

Darauf basierend fasste die COP10 zwei Jahre später in Nagoya in Japan noch wichtigere Beschlüsse, die Aichi Biodiversitäts-Ziele und den „Aktionsplan“.

2. Invites Parties to involve subnational governments, cities and other local authorities when revising their national biodiversity strategies and action plans;

3. Invites subnational governments, cities and other local authorities and their networks to contribute to the implementation of the Plan of Action, in coordination with their national Governments, taking into account activities conducted to implement the programme of work on communication, education and public awareness (CEPA); …

Siehe: CBD

Im damit verbundenen “Plan of Action on Subnational Governments, Cities and Other Local Authorities for Biodiversity (2011-2020)” werden die Vertragsstaaten und andere Regierungen aufgerufen zu handeln. Es heißt unter anderem:

Inzwischen vertreten die organisierten Städte und Regionen die Erstellung von lokalen Plänen (Lokale Biodiversitäts-Strategien und Aktionspläne, LBSAPs), in welchen nationale Ziele auf die lokale Ebene übersetzt und weitere eigene Ziele und Strategien definiert werden sollen. Idealerweise würden die Vertragsstaaten dann die lokalen und regionalen Ziele, Aktivitäten und Ergebnisse direkt in ihre NBSAP-Berichte aufnehmen und nationale Strategien damit bereichern, genau, wie es von den Vertreter*innen der sub-nationalen Ebene auch für Klimapläne als sinnvoll erachtet wird.

Agenda 2030: In Fortführung und Weiterentwicklung der Agenda 21, wurde in einem mehrjährigen Prozess die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und mit ihr die internationalen 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) entwickelt. Die Agenda 2030 wurde im September 2015 auf einem Gipfel der Vereinten Nationen von allen Mitgliedsstaaten verabschiedet und gilt für alle UN-Mitgliedsstaaten (BMZ).

Entsprechend richten sich auch die SDGs an alle Staaten, entwickelte und Entwicklungsländer, und entfalten dadurch eine besondere Kraft. Anders als die Millennium Development Goals (MDGs) aus dem Jahr 2000 welche Ziele für Entwicklungsländer für das Jahr 2015 nennen, sind nun auch und besonders die entwickelten Länder verpflichtet, Nachhaltigkeitsziele zu verfolgen. Entsprechend umfänglicher ist auch die thematische Breite der SDGs.

Eine konzertierte Aktion aller international organisierten Netzwerke von Städten und Regionen und kluges Prozess-Management durch die vorbereitenden Regierungen hat dazu geführt, dass lokale und regionale Positionen in die Beratungen einflossen und mit dem „Ziel 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden“ dieser Regierungsebene und einigen Themenfeldern für die sie zuständig ist, die notwendige Bedeutung und Verantwortung zugesprochen wurde.

Internationale Strategie zur Reduzierung von Katastrophenrisiken (International Strategy for Disaster Reduction (ISDR) und das Sendai Rahmenwerk:

Der Sendai Rahmen für Katastrophen-Risikominderung (Sendai Framework for Disaster Risk Reduction 2015-2030) schlägt den UN-Mitgliedsstaaten konkrete Aktionen zum Schutz von Katastrophen vor. Eine Übersetzung für die lokale Ebene stellen die „10 wesentlichen Punkte für resiliente Städte“ dar (UNISDR), ein Beispiel dafür, dass für alle internationale Abmachungen die kommunale Komponente früh und klar benannt werden muss.

Seitens der organisierten Kommunen und Regionen werden die verschiedenen UN-Prozesse stets als Ganzes betrachtet. Oft sind deren Vertreter*innen mehr über das Einbeziehen der sub-nationalen Ebene in allen Themenfeldern informiert, als die Regierungsvertreter*innen. Auch wenn inzwischen in mehreren Netzwerken organisiert (z.B. ICLEI, C40, UCLG und Global Covenant of Mayors for Climate and Energy) arbeiten diese gegenüber den Staaten und der UN in aller Regel gut zusammen und vertreten ihre Positionen gemeinsam. Insgesamt wirken Städte und Regionen so als Motoren der weltweiten Nachhaltigkeitsprozesse, insbesondere da sie immer auf sehr konkrete Ziele, Beispiele und Erfolge vor Ort verweisen können.

Im UN-Klimaprozess wie auch im UN-Prozess zum Schutz der Biodiversität bringen Städte und Regionen seit vielen Jahren ihre Kompetenz und ihren Handlungswillen ein. Im Gegenzug fordern sie von den Nationalregierungen und den UN-Institutionen, mehr Ehrgeiz in ihren Klimazielen zu zeigen, Rahmen für verstärktes Handeln vor Ort zu schaffen und Kommunen & Regionen sowie deren Organisationen eine mitgestaltende Rolle in den internationalen Prozessen zu geben.

Bereits in den frühen 90er Jahren starteten die ersten internationalen Initiativen zu „Local Climate Action“, insbesondere durch ICLEI’s Cities for Climate Protection Campaign (CCP). Gruppen von Städten aus verschiedenen Ländern und Kontinenten arbeiteten zusammen, um gemeinsam ihre Treibhausgasemissionen zu erfassen und Aktionsprogramme zu deren Minderung zusammenzustellen. Darauf aufbauend waren Städte bereits bei der ersten UN-Klimakonferenz in Berlin (März 1995) mit einer eigenen Veranstaltung, dem Second Municipal Leaders Summit on Climate Change in Berlin vertreten, Schirmherrin war die damalige deutsche Umweltministerin Angela Merkel.

Seither begleiten Kommunen und Regionen den UN-Klimaprozess intensiv. Sie treten mit Delegationen von Bürgermeister*innen auf, veranstalten eigene Begleitprogramme, sprechen vor UN-Gremien, und nutzen diese Bühne auch für die Klima-Mobilisierung zu Hause.

Hochrangige Vertreter*innen von Städten und Regionen sehen sich dabei nicht als „NGO“, sondern erklären, warum sie Teil des Regierungssystems sind. Bei der UN-Klimakonferenz COP16, 2010, wurde dies mit dem Begriff „governmental stakeholder“ festgehalten. Das Pariser Klimaabkommen bezieht sich auf „alle staatlichen Ebenen“, was als Anerkennung der sub-nationalen Akteure gesehen wird. Inzwischen werden Kommunen und Regionen regelmäßig im UN-Klimaprozess gehört und als Umsetzungspartner gefordert, jüngst ausdrücklich in dem Report on Sustainable Cities and Climate Finance des Standing Committee of Finance.

Schon zu Beginn der UN-Klimakonferenzen im Jahr 1995 wurde die „Local Governments and Municipal Authorities (LGMA) Constituency“ als eine Verbindungseinheit zwischen den Kommunen und dem UN-Klimasekretariat UNFCCC geschaffen. ICLEI – Local Governments for Sustainability fungiert seit Beginn als Kontaktstelle und unterstützt damit die Zusammenarbeit der wachsenden Gruppe von Organisationen in der LGMA mit dem UN-Klimasekretariat, inzwischen auch im Auftrag der Global Taskforce of Local and Regional Governments, in welcher alle relevanten internationalen Städtenetzwerke zusammenarbeiten.

Beispiele für subnationale Initiativen zur Zusammenarbeit mit den Nationalregierungen innerhalb der UN-Prozesse schließen ein:

  • die Local Government Climate Roadmap , welche 2007 als Spiegel zur Bali Climate Roadmap der Nationalregierungen gestartet wurde,
  • die lokalen Verpflichtungen zur Anpassung an den Klimawandel (Durban Adaptation Charter) als Parallele zur nationalstaatlichen Anerkennung von Anpassung als relevanten Teil des UN-Klimaprozesses bei der COP-20 2014 in Durban, Südafrika,
  • Die Organisation von Talanoa Dialogen auf allen Erdteilen, die in Vor- und Nachbereitung der COP23 (2017) gezielt Nationalregierungen und sub-nationale Regierungen für gemeinsames Klimahandeln zusammenbringen,
  • Beiträge in Vorbereitung des Pariser Klimaabkommen (COP-21, 2015), in der Marrakech Partnership for Global Climate Action (COP-22, 2016), für das Kattowitzer Klimapaket (2018),
  • Die Mitgestaltung des UN Climate Summit 2019 und seines Infrastructure, Cities and Local Action track (ICLA), in welchem die vielfältigen subnationalen Handlungsmöglichkeiten beschrieben und die sich daraus ergebende Chance für ein eine Stärkung der Ambitionslevel von NDCs beschrieben wurde,
  • in der aktiven Teilnahme an der COP25 Climate Ambition Alliance, welche sich für die Erreichung von netto-null CO2 Emissionen bis 2050 einsetzt.

Wie in vielen anderen Phasen der UN-Klimaverhandlungen begleiten Städte und Regionen nun auch die Vorbereitung der COP26 in Glasgow (2021) aktiv mit dem Ziel, dass diese weltweit für eine Stärkung der Regierungsebenen übergreifenden Zusammenarbeit eintritt.